Ein Gastbeitrag von Susannah Winter
Im Schatten der AfD, ihrer Wahlerfolge und Mobilisierung von Nichtwählern, wurden in den letzten Monaten immer wieder Stimmen im linken Parteienspektrum laut, auch die Linke (In diesem Text zusammenfassend für die diversen linken Parteien) müsse mehr Populismus wagen. Möchte man wissen, was von dieser Forderung zu halten ist, muss man sich nur anschauen, welche prominenten Vertreter dieser Idee anhängen:
Glühende Verfechter des linken Populismus‘ sind u.a. Jakob Augstein, der immer mal wieder mit antiamerikanischen und antisemitischen Ressentiments aufwartet und damit durchaus auf Erfahrung in Sachen Populismus zurückblicken kann. Auch Querfrontler Ken Jebsen wurde in der Vergangenheit nicht müde, auf KenFM „Für einen linken Populismus“ zu werben. Allein diese beiden Vertreter der Populismus-Theorie, nach der auch die linke Bewegung Emotionen schüren, Polemik wagen, simplifizieren sollte macht klar, in welch trüben Gewässern man fischt, sollte man sich auf diese Form des Stimmenfangs einlassen.
Wo linke Parteien und Ideen eine Wahlmöglichkeit bieten sollten, im besten Falle als tatsächlich sozialdemokratische Alternative zum zunehmend neoliberalen Kurs der SPD wahrgenommen werden könnten, wirkt die Imitation des AfD-Gebrülls bestenfalls abstoßend auf die, die den Kern linker Politik im Antifaschismus, in der Stärkung von Gewerkschaften und Arbeitnehmerrechten und vor allem in der Solidargemeinschaft sehen. Der Populismus-Ansatz vertieft die Kluft innerhalb der Linken, zerrüttet, was von einer möglichen linken Bewegung übrig war. Nur wenige können und mögen sich damit anfreunden, Sahra Wagenknecht in AfD-Gefilden zu erleben, wenn sie an der Integrationsmöglichkeit von Flüchtlingen zweifelt und fordert, Menschen in unserem Land müssten sich „wieder sicher fühlen“ (sic) oder von „Gastrecht“ fabuliert. Wer die zunehmend links-autoritäre Fraktion innerhalb der Partei „Die Linke“ erlebt, kommt kaum umhin, Ähnlichkeiten mit AfD und Co. zu erkennen. Also gerade mit denen, die es mit kluger Politik und nicht mit Polemik und Hetze zu bekämpfen gälte.
Hier greift das (für diesen Zweck leicht abgewandelte) Sprichwort:
„Lege Dich nie mit einem Rechtspopulisten an! Er zieht dich auf sein Niveau herunter und schlägt dich dann mit seiner Erfahrung!“
Tatsächlich können Parteien des linken Spektrums den Kampf um Wählerstimmen auf Basis von Populismus nur verlieren. Das Wesen des Populismus ist verkürzte Kritik, Vereinfachung komplexer Sachverhalte, Inhaltsleere, nicht selten Radikalismus und Dogmatismus. Die Wähler, die sich potenziell davon ködern lassen, sind im nächsten Augenblick auch schon weitergezogen, wenn sie nicht die versprochenen, umgehenden Problemlösungen serviert bekommen. Zeit für nachhaltige Reformen, langfristige Umsetzung linker Ideen wäre nicht gegeben. Im Gegenteil würde die Enttäuschung, die uneingelöste Versprechen mit sich bringen, den Zerfall der Linken beschleunigen.
Ein Beispiel für den verheerenden Bumerang-Effekt von Populismus hat ausgerechnet die FDP mit ihrem „Projekt 18“ geboten:
„Mit Strategie 18, auch Projekt 18 genannt, wurde die Wahlkampfstrategie der FDP zur Bundestagswahl 2002 bezeichnet. Im Mai 2001 beschloss der Düsseldorfer Bundesparteitag der FDP die Strategie, die „mit neuen Formen der Kommunikation und Darstellung … neue Wählerschichten“[1] für die Partei erschließen und die FDP als eigenständige und unabhängige politische Kraft außerhalb eines vorgegebenen Lagers positionieren sollte. Der Name bezog sich auf das Wahlziel, den Anteil an den Wählerstimmen von 6 % auf 18 % zu verdreifachen. Inmitten von Kontroversen über eine möglicherweise damit verbundene rechtspopulistische Ausrichtung erzielte die FDP letztlich 7,4 % und rückte nach der Wahl von diesem Kurs ab.“
Auch damals war Motivator und Ideengeber der Rechtspopulismus, dessen markige Parolen offensichtlich beim Wähler verfingen:
„Auf dem folgenden Bundesparteitag 2001 wurde mit der Wahl Guido Westerwelles eine Abkehr vom bisherigen Image der FDP als „Partei der Besserverdiener“ beschlossen. Das Konzept blieb in der Parteiführung umstritten. Nachdem die FDP im konventionell geführten Wahlkampf zur Bürgerschaftswahl in Hamburg im September 2001 nur 5,1 Prozent, die rechtspopulistische Schill-Partei dagegen auf Anhieb 19,4 Prozent Stimmenanteil erzielte, konnten sich die Vorstellungen von Westerwelle und Möllemann durchsetzen.“
Zwar war das Ergebnis der damaligen Bundestagswahl für die FDP alles andere als ein Erfolg, lediglich 7,4% der Stimmen konnte sie holen, doch die Ideen und Versprechungen verfingen langfristig und 2009 gelang der FDP schließlich ein Wähleranteil von 14,6%. Damals wie heute profitierten die kleineren Parteien von der Schwäche der Großen, vor allem von den massiven Verlusten der SPD. Und damals wie heute war es eine große Koalition, die diese Parteienmüdigkeit befeuerte.
Doch in diesem kurzfristigen Erfolg, der seine Zugewinne aus destruktiven Tendenzen (gegen die Etablierten wählen, nicht für neue Ideen) bezieht, ist auch schon der Keim des zukünftigen Scheiterns enthalten. Darin besteht eben die Falle eines populistischen Kurses: Für den Wahlkampf konstruierte Versprechen scheitern nicht selten am realpolitischen Alltag. Der Wähler jedoch, der keine gewachsene politische Heimat hat, kein Interesse an langfristigem Konstruktivismus, kein Wissen um Entstehung von Gesetzen, keine Ahnung vom politischen Betrieb, er verzeiht die Abkehr von Wahlkampfzusagen nur schwer. Der FDP gelang weder die versprochene Reduktion von Subventionen noch eine umfassend reformierte Steuerpolitik. Statt dessen festigte sie die Wahrnehmung breiter Teile der Bevölkerung, die in ihr eine „Besserverdiener-Partei“ sahen, die selektiv Klientelpolitik betrieb. Die Entlastung von Hoteliers, der hohe Spenden von Mövenpick vorausgegangen waren, brachten ihr den spöttischen Namen „Mövenpick-Partei“ ein. Die FDP scheiterte an ihren nicht eingehaltenen Wahlversprechen, scheiterte am populistischen Wahlkampfkurs, dessen Rhetorik der politischen Realität nicht standzuhalten vermochte, den eigenen, viel zu hoch angesetzten Zusagen.
Derart demontiert fiel die FDP in sich zusammen, schaffte bei der nächsten Wahl den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde nicht mehr und entschwand, zumindest temporär, in die politische Bedeutungslosigkeit.
Die Linke hat bereits in der Vergangenheit Bekanntschaft mit Wählerfluktuation gemacht, hat Enttäuschte mal angezogen, dann wieder verloren. Die Kommunalwahlen der letzten Monate und mit ihr die Verluste für linke Parteien waren ein Warnschuss, wohin beliebiger Populismus und die Abkehr von linken Inhalten führen kann. Der Wählerkern der linken Parteien erwartet eine klare Abgrenzung von Rechts und ist schnell verloren, wenn er seine Ideale zugunsten eines rhetorischen Schulterschlusses mit Rechtspopulisten verraten sieht. Und der AfD-Wähler wird sich nicht von solchem Blendwerk beeindrucken lassen. Frei nach dem Motto „Warum eine populistische Kopie der AfD wählen, wenn ich das Original haben kann“, befeuert man so noch Hetze und gibt denen Recht, die am lautesten Schreien. Es ist wahr: Angst und Hass, Fremdenfeindlichkeit und Sozialneid verkaufen sich dieser Tage besser, als die Forderung nach Solidarität. Wer jedoch seine politische Haltung daran knüpft, was gerade populär ist, der hat keine.
Auf lange Sicht kann jede linke Partei mit einem Abklatsch der AfD-Wahlkampftaktik nur verlieren. Die zornigen Wechselwähler bleiben sowieso nicht lange da, wo gemäßigt regiert, debattiert und gehandelt wird. Die überzeugten Linken wandern ab, wo sich Linke und Rechte nicht mehr eindeutig voneinander unterscheiden. Die linken Parteien wären gut beraten, sich als verlässliche, sozialdemokratisch orientierte Alternative aufzustellen, mit realistischen, langfristigen Plänen zu punkten, anstatt sich auf populistisches Geplänkel einzulassen. An genau der Stelle hat sich, nicht zuletzt durch die massive Schwäche der SPD, eine Lücke aufgetan, die gefüllt werden kann und muss. Und der Schulterschluss mit Gewerkschaften und Arbeitnehmern stünde jeder linken Bewegung besser zu Gesicht, als das anbiedern an rechtslastige Ideologien und radikale Rhetorik. Das Populismus-Lager ist lange schon gut und effektiv gefüllt mit Pöblern der AfD und CSU und tragischerweise auch mit Mittelfingern der SPD und braucht keine Linke, die mitzieht.