Berlin (a)live –  vom  Zwang zur neuen Freiheit
Berlin (a)live –  vom  Zwang zur neuen Freiheit

Berlin (a)live –  vom  Zwang zur neuen Freiheit

Die Covid19-Störung im Betriebsablauf stellt uns eine ungeahnte Aufgabe

 

Ein Gastbeitrag von Armin Berger

Eigentlich hatten sich alle mit der bleiernen Zeit des schneller, weiter, höher abgefunden. Es drohte alles der umfassenden Mechanik des Geldes zu unterliegen. Da drang ein 20 nm kleines Virus in den Ablauf der Dinge ein und brachte den großen Betrieb zum Erliegen. Was hat das zu bedeuten? Was ist die Botschaft des Virus, das die Globalisierung zu nutzen weiß wie nichts zuvor? Wie wird dieses winzige, leblose Stück Protein unseren sozialen Organismus hinterlassen? Haben wir das Recht, aus der größten Krise seit dem zweiten Weltkrieg zur verlassenen Normalität zurückzukehren?

Alle Häuser zu. Der Kulturbetrieb wird komplett bis auf weiteres eingestellt. Berlin (a)live entsprang einem ersten Impuls ausgelöst vom Shutdown der Corona-Krise. Eine spontane Idee, die mit dem Rückenwind des Berliner Kultursenators Dr. Klaus Lederer zu einer Online-Plattform wurde. In fünf Tagen umgesetzt ist sie ein Akt des Widerstands gegen das Virus. Die Plattform bietet allen Kulturschaffenden die Möglichkeit, die verlorenen Bühnen, die geschlossenen Häuser zu überwinden.

Es ist eine digitale Bühne für alle, die ihr Publikum brauchen. Eine Plattform der Solidarität und der Künste im allerweitesten Sinne.

Berlin (a)live | Dr. Klaus Lederer im Interview mit Armin Berger und Dennis Hartmann von 3pc

 

Ohne konkrete Perspektive passierte etwas seltsames

In einer Zeit, in der die Kultur plötzlich aufgehört hat, wirtschaftlich verwertbar zu sein, entsteht mit Berlin (a)live zu erst aus Verzweiflung, dann aber doch immer lustvoller ein Ort, der neue Freiheit bietet. Statt der düsteren Idee des eigenen Untergangs entsteht Vitalität, die begonnen hat, sich aus sich selbst heraus zu nähren. Alles ist gleichzeitig möglich und unmöglich. Die Freiheit des Experiments, des beliebigen Nebeneinanders von Hochkultur und Wohnzimmerkonzert. Berlin (a)live wurde zu einem nicht vorhergesehen Lebenszeichen eines Kulturbetriebs, der ein schnöder Wirtschaftsfaktor geworden war. Es geht plötzlich nicht mehr um Verwertung. Es geht um Verwerfung und um Erneuerung!

 

Jetzt ist der Moment, in dem alles möglich erscheint.

Kunst und Kultur öffnen den Raum des Möglichen, des Denkbaren und des Undenkbaren. Das Scheitern ist Teil der Überlegung, das Verglühen, das sich Erschöpfen, Erfinden, es bricht aus dieser Stadt heraus. Die Vitalität der Berliner Anarchie durchdringt plötzlich alles. Es wird nicht für lange sein, aber jetzt ist der Moment, in dem alles möglich erscheint. Ein Traum, der aus dem Nichts geboren wurde in einer Stadt, die es gewohnt ist, sich immer wieder neu zu erfinden. Veränderung als Grundprinzip.

 

Berlin (a)live ist zur Plattform geworden, die der Idee der unendlichen Möglichkeiten Ausdruck verschafft.

Lasst uns das Experiment feiern! Nichts ist gemacht, alles wird gedacht und ist nur deshalb so, weil es so gedacht wird. Vielleicht ist die Botschaft des Virus, dass wir uns neu erfinden sollen, dass wir an das Mögliche glauben sollen, dass jede Normalität nur ein Zwischenstadium ist.

Lasst uns die Vitalität, die in unserer Welt steckt, zu neuem Leben erwecken. Ich denke, diese Krise stellt uns viele Aufgaben. Eine davon ist: Öffnet euch für die Möglichkeiten, feiert die Freiheit der Vorstellungskraft, gestaltet! Wenn das Virus uns mit Tod und Verderben bedroht, dann drohen wir mit Leben und Erneuerung.

Der Feind wird immer Teil von einem selbst. Das Virus steckt bereits in unseren Köpfen und Herzen. Der Betriebsablauf ist gestört.

Wir haben die Chance, eine völlig neue Normalität zu erobern. Nutzen wir den ungebändigten Raum des freien menschlichen Schaffens, um uns selbst ein Geschenk zu machen.

 

Die Geschichte zur Geschichte
Vom Shutdown zur Plattform zur Plattform: Berlin (a)live

Wie ist Berlin (a)live bei 3pc entstanden? Ausgangspunkt war das Wochenende, an dem die kulturellen Einrichtungen Berlins geschlossen wurden. Unser erster Impuls: Wie sollen die Künstler*innen der Stadt nun weitermachen? Wie kommen sie weiterhin an ihr Publikum? Am Küchentisch ist dann die Idee entstanden: Eine zentrale Plattform muss her, die alles und alle zusammenbringt. Wir haben anschließend eine Konzeptskizze an Berlins Kultursenator Dr. Klaus Lederer persönlich geschickt, der sofort begeistert war und das Projekt ins Rollen brachte. Fünf Tage später war Berlin (a)live live – eine unglaubliche Teamleistung komplett aus dem Homeoffice heraus.

DDie Mitglieder des 3pc-Redaktionsteams: Eva-Leona Breunig, Daniela Himbert, Alexandra Lau, Berke Tataroglu, Yuewen Röder

 

Berlin (a)live sortiert nicht aus, das heißt wir zeigen Kunst und Kultur in ihrem diversen Nebeneinander – vom Ballettkurs oder Igor Levits Konzerten aus dem Wohnzimmer, Aufführungen aus der Schaubühne oder der Deutschen Oper, verschiedenste Lesungen bis hin zu virtuellen Museums-Rundgänge. Aber es entstehen auch ganz neue, spannende Formate, wie zum Beispiel die Telegram Edition „Twin Speaks“, in der Zuschauer*innen per Messenger die Ermittlungen in einem Mordfall verfolgen können. Wäre da vor der Krise jemand drauf gekommen?

 

Die Empfehlung für heute, 17. April 2020:

Online only Vernissage: „ART IS A REMEDY“. Kunst hat sich schon immer auf die ein oder andere Weise mit „Social Distancing“ auseinandergesetzt. Die Werke der Ausstellung „Art Is A Remedy“ bieten aber nicht nur in dieser Hinsicht Hilfestellung, sondern auch sehr konkret: Jede*r der teilnehmenden Künstler*innen hat ein Kunstwerk der Ausstellung der janinebeangallery solidarisch gespendet.

https://www.berlinalive.de/event/art-is-a-remedy-646

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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