Eine Zusammenfassung des Demo-Auftakts in Berlin am 24. Juni 2018
Die von der Berliner Piratenpartei kurzfristig initiierte und von mehreren Organisationen unterstützte Demonstration in Berlin war der Auftakt von europaweiten Protesten gegen Upload-Filter und Linksteuer. Nachdem vergangenen Dienstag die Vorlage den Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments knapp passiert hat, bleibt nur noch wenig Zeit bis zur Abstimmung im Plenum am 4. Juli.
Nachfolgend Passagen aus dem aktuellen Blogbeitrag der PIRATENPARTEI BERLIN
Trotz kurzfristiger Ankündigung und schlechtem Wetter kamen mehrere hundert Menschen zur Demonstration gegen Upload-Filter und Linksteuer am vergangenen Sonntag in Berlin. Nach der Eröffnungs-Kundgebung vor der EU-Vertretung des Parlaments und der Kommission in Deutschland ging es zur Konzern-Zentrale von Axel Springer, wo die Abschluss-Kundgebung stattfand.
Das Spektrum der Redebeiträge reichte von der Jugendpresse Deutschland bis zum Branchenverband BITKOM. Einig waren sich alle darin, dass die in Artikel 13 geforderten Maßnahmen im Entwurf der europäischen Urheberrechts-Richtlinie das Aus für viele Angebote im Internet bedeuten würde.
Ilja Wehrenfennig von der Jugendpresse Deutschland sagte, dass dann die Umsetzung einer geplanten Bilddatenbank für die Jugendpresse nicht möglich wäre.
Judith Steinbrecher von BITKOM wies darauf hin, dass gerade Start-Ups nicht über die Mittel verfügen, sich die notwendige Filtersoftware zu leisten. Das würde nicht nur der ganzen Branche schaden, sondern auch die Monopolbildung bei Internetangeboten weiter stärken.
Patrick Breyer, Spitzenkandidat der Piratenpartei Deutschland bei den Europawahlen 2019, führte weiter aus:
„Nach Entscheidungen wie über das CETA-Abkommen verstärken die
Internet-Zensurpläne den Eindruck, dass im ‚Lobbyparadies Brüssel‘ zu oft die Industrie das Sagen hat und nicht die Bürger. Zum Thema Copyright hat sich alleine die EU-Kommission 535mal mit Industrielobbyisten getroffen, aber nur 84mal mit Nichtregierungsorganisationen. Wir PIRATEN wollen das politische Betriebssystem der EU durch Transparenz, Ethikregeln und direkte Demokratie updaten, um unsere Demokratie besser vor Korruptionsrisiken und unangemessener bezahlter Einflussnahme zu schützen.“
Jahr 1 nach Snowden – Ein Statement von Roland Hummel zur Uploadfilter-Demo
Das nachfolgende ungekürzte Statement zu Beginn der Demo von Roland Hummel, Vertreter der studentischen Initiative #Jahr1nachSnowden an der Humboldt-Universität zu Berlin, spannt den Bogen vom Whistleblower zu den Themen der Demo und ist unter CC-BY-SA zur Weiternutzung freigegeben.
Verehrte Mitmenschen,
ihr seid hier, um öffentlich für die Prinzipien einer freien, digitalen Gesellschaft einzustehen – danke, dass ihr zu denen gehört, die nachdenken die aus ihrer Komfortzone heraustreten, die sich politisch nicht frustrieren oder „wegfiltern“ lassen!
Ich stehe hier als Vertreter einer studentischen Initiative, die vor einigen Semestern an der HU Berlin ins Leben gerufen wurde, kurz nachdem Edward Snowden der Welt den größten Überwachungsapparat der Geschichte offenbart hat. Einer Initiative also, die sich der Leistung dieses mutigen Whistleblowers verpflichtet fühlt und das Phänomen tiefgreifender, globaler Überwachung als Missbrauch des digitalen Raumes thematisiert. Ihr werdet euch nun berechtigt fragen, was das Problem globaler Überwachung mit den Themen dieser Demo – unter Anderem „Upload-Filter“ – zu tun hat. In der Tat scheinen die Verknüpfungen zwischen beiden Themenbereichen so schwer nachweisbar zu sein wie es auch sonst schwer ist, repressive Machtmechanismen in einem nicht nur digitalen, sondern auch neoliberalen Zeitalter nachzuweisen.
Zumindest, was die Problematik von Upload-Filtern betrifft, möchte ich eine Deutung wagen, von der ich denke, dass sie uns jenes grundlegende Problem verdeutlicht, das auch hinter dem Problem globaler Überwachung steht: Ich meine, dass eine politische Elite, die sowohl globale Überwachung ausbaut als auch für Upload-Filter votiert, ihr Vertrauen in uns verloren hat und uns deswegen mit ihren politischen Entscheidungen immer wieder das Misstrauen ausspricht!
Denn warum sonst, wenn nicht aus einem tiefgreifenden, paranoiden Misstrauen, das in jedem Wohnzimmer eine Terrorzelle vermutet, sollte man das Leben von Millionen von Menschen pausenlos digital aushorchen? – Und warum sonst sollte man Upload-Filter befürworten, wenn nicht ebenfalls aus generellem Misstrauen, es handele sich bei uns, den Usern des digitalen Raumes, um Menschen, die tatsächlich permanent Rechtsbrüche vorhätten, sodass man uns nur mit einer ebenso permanenten Zensur-Gewalt begegnen könne?
Warum, Herr Axel Voss, misstrauen Sie und die Befürworter*innen Ihres Gesetzesentwurfs uns derartig? Wie kann es sein, dass ein Vertreter einer Partei mit explizit christlichem Bezug ausgerechnet die Mottenkiste aus anti-christlichen Vorurteilen bedient, indem er mit Upload-Filtern den juristischen Weg für einen wahren Zensur-Kreuzzug ebnet? Diese Kritik soll mir abschließend erlaubt sein, weil ich hier nicht nur als Aktivist gegen Überwachung, sondern auch als Student der Theologie stehe: Parteien, die sowohl Massenüberwachung ausbauen als auch der mechanischen Zensur durch Upload-Filter Raum geben, haben aufgehört, das Gute im Menschen zu sehen und sind deswegen vieles – aber nicht christlich! Danke Euch fürs Zuhören, fürs Wachsambleiben, für euren Protest gegen den Missbrauch des digitalen Raumes!
Von diesem Statement gibt es auch diesen Videomitschnitt: #Jahr1nachSnowden-Demonstrationsrede gegen Upload-Filter