Die Foltermethoden der CIA kennen offenbar, wie es dem im Dezember 2014 vorgelegten Report zu entnehmen ist, keine Grenzen. Eine größere Verhöhnung und Beschädigung der westlichen Werte ist nach menschlichem Ermessen nicht mehr vorstellbar. Nun gibt es. dank des Westend-Verlags eine deutsche Übersetzung des Berichts. Herausgeber des Gesamtwerks ist Wolfgang Neskovic. Wir bedanken uns beim Herausgeber und Verlag für die Zustimmung zur Veröffentlichung des vollständigen Vorworts. Es soll auch erwähnt sein, dass ein Teil des Verkaufserlöses des übersetzten Reports an die Hilfsorganisation „medico international“ geht.
Das Vorwort von Wolfgang Neskovic zur deutschen Herausgabe des Reports
„Die Haftbedingungen und die Anwendung erlaubter und unerlaubter Verhör- und Konditionierungsverfahren“ waren „grausam, unmenschlich und entwürdigend“, schreibt Dianne Feinstein, die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des US-Senats, in ihrem Vorwort zu dem veröffentlichten Bericht über die Folterpraktiken der CIA. Mit der Publikation des Berichts verbindet sie die Hoffnung, „dass die US-amerikanische Politik nach der Veröffentlichung dieser Befunde und Schlussfolgerungen sowie der Zusammenfassung des Berichts nie wieder uneingeschränkte Internierung und gewaltsame Befragungen zulassen wird“.
Diese Hoffnung mag trügerisch sein, wenn man sich die entsprechenden öffentlichen Reaktionen im Lager der Republikaner und auch bei den ehemals Verantwortlichen George W. Bush („Völlig daneben“) und Dick Cheney („Voller Mist“) vor Augen führt. Ebenso lassen die in den USA veröffentlichten Meinungsumfragen für Optimismus wenig Raum. Eine deutliche Mehrheit der US-Amerikaner billigt die Foltermaßnahmen und diskutiert nicht über deren Zulässigkeit beziehungsweise Unzulässigkeit, sondern allenfalls über deren Nützlichkeit.
Jenseits der Wirkungen, die dieser Bericht in den Vereinigten Staaten hervorruft, wird er für alle, die ihn lesen wollen, Konsequenzen haben. Er kann nicht nur persönliche Betroffenheit, Empörung und Entsetzen hervorrufen, sondern darüber hinaus auch für die deutsche Leserschaft die Bereitschaft fördern, sich dafür einzusetzen, dass – zumindest in Deutschland – die Folterer und ihre Hintermänner strafrechtliche Konsequenzen fürchten müssen.
Verantwortlich dafür ist nicht – wie die Bundeskanzlerin behauptet und damit die Öffentlichkeit täuscht – die „Justiz“, sondern in erster Linie die Politik. Vor diesem Hintergrund habe ich die hier folgenden Ausführungen vorwiegend darauf ausgerichtet, die rechtlichen Zusammenhänge darzustellen, die weltweit festlegen, welche Verantwortlichkeit der deutschen Politik bezüglich der konsequenten strafrechtlichen Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen zukommt.
Die Veröffentlichung des Berichts des US-Senats in deutscher Sprache soll möglichst vielen Menschen in Deutschland die Chance eröffnen, sich ein eigenes Bild von den Folterpraktiken der CIA zu machen. Sie soll auch veranschaulichen, zu welchen menschlichen Pervertierungen Verantwortungsträger in Staaten, die sich Rechtsstaaten nennen, fähig sind, wenn sie sich bedroht fühlen. Der Bericht zeigt darüber hinaus, wie fragil in solchen Situationen die Bindung an das Recht ist. Die „Herrschaft des Rechts“, die Kanzlerin Angela Merkel im Kontext mit der Ukraine stets einfordert, ist keine „Schönwetterveranstaltung“, die suspendiert werden kann, wenn die Verhältnisse stürmisch werden. In einem Rechtsstaat lässt sich Terror nicht mit Terror bekämpfen. Oder anders ausgedrückt: Im Rechtsstaat heiligt der Zweck nicht die Mittel.
Die Publikation des Folterberichts eröffnet aber auch die Möglichkeit, den Gesamtzusammenhang, in dem die Folterpraktiken der CIA stehen, in den Blick zu nehmen. In ihrem „Krieg gegen den Terror“ entziehen sich die Vereinigten Staaten nicht nur dem nationalen, sondern auch dem internationalen Recht. Ihr Krieg ist archaisch und schrankenlos: Menschen wurden weltweit entführt, in Geheimgefängnissen gefangen gehalten und gnadenlos gefoltert. Mit Drohnen werden bis heute in unterschiedlichsten Ländern tatsächliche und vermeintliche Terroristen hingerichtet. Dass dabei auch Frauen und Kinder, die sich im Wirkungskreis der Bomben aufhalten, ermordet werden, wird in Kauf genommen und zynisch als „Kollateralschaden“ abgetan. Mithilfe der National Security Agency (NSA) streben die USA mit perfiden Überwachungsmethoden eine möglichst vollständige Kontrolle des Kommunikationsverhaltens und der Inhalte technischer Kommunikation zwischen Menschen an.
Ebenso verdient insbesondere der erbarmungslose Drohnenkrieg die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser dieses Buches. Solche Angriffe geschehen im rechtsfreien Raum. Das Völkerrecht enthält keine Rechtsgrundlage für die Tötung vermeintlicher Terroristen außerhalb einer Gefechtssituation.
Bei al-Qaida handelt es sich zum Beispiel um ein Netzwerk krimineller Zivilisten. Außerhalb einer Gefechtssituation sind dessen Mitglieder wie Verbrecher zu behandeln. Sie sind festzunehmen, anzuklagen und im Falle nachgewiesener Schuld zu bestrafen. Solche Vorgehensweise würde nicht nur die Rechte von Terroristen achten. Sie schützt vor allem auch die Rechte der Nicht-Terroristen. Denn erst in einem Gerichtsprozess erweist sich, ob ein Mensch tatsächlich Terrorist ist oder nur dafür gehalten wird. Eine solche Wahrheitsfindung wäre von militärischen und geheimdienstlichen Beurteilungen nie zu vollbringen. Nach der Logik von Militär und Geheimdiensten ist – anders als nach internationalem Recht (vergleiche Artikel 50 Ziffer 1 des I. Zusatzprotokolls der Genfer Konventionen) – ein Mensch im Zweifel ein Terrorist und kein Zivilist. Ihre Drohnen töten jede Person, die sich im Wirkungskreis ihrer Waffen befindet. Das führt zum wichtigsten Unterschied zwischen dem Abschussbefehl einer Rakete und der Verkündung eines Strafurteils. Im Gerichtssaal gibt es keinen Kollateralschaden. In bundesdeutschen Gerichtssälen ist der Tod ohnehin ein Fremder. Die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ist nach deutschem Recht ein Straftatbestand, der mit hohen Freiheitsstrafen belegt wird, nicht jedoch mit der Todesstrafe.
Vor diesem Hintergrund ist im Anhang dieses Buches auch ein Vortrag abgedruckt, den ich während meiner Zeit als Bundestagsabgeordneter auf einem Kongress zu diesem Thema gehalten habe. Er soll helfen, den Leserinnen und Lesern Argumente und Einsichten gegen diese besonders perfide Art der Terrorbekämpfung zu liefern. Der zusätzlichen Information dient auch der Abdruck zweier weiterer Papiere, die sich im Anhang befinden, weil ich es für sinnvoll halte, auch sie in den Kontext dieses Buches einzubinden.
Der Folterbericht beschäftigt sich mit den grausamen Menschenrechtsverletzungen durch einen Geheimdienst, der einem Staat angehört, der ein Rechtsstaat sein will – jedoch im Praxistest versagt. Diese Feststellung legt die Frage nahe: Was machen unsere Geheimdienste, und wozu sind sie fähig? Haben sie auch gefoltert oder sich an der Folterpraxis der CIA beteiligt oder im Wissen um diese Praxis dennoch Informationen aus Folterungen genutzt? Haben sie den USA Informationen gegeben, die diese genutzt haben, um Drohnenmorde auszuführen? Nehmen sie arbeitsteilig an der umfassenden NSA-Ausforschung teil? Halten sie sich an die Regeln des Rechtsstaats, unserer Verfassung und des internationalen Rechts?
Auf diese Fragen gibt es keine zuverlässigen Antworten. Insbesondere gibt es keinen Bericht des Deutschen Bundestages, der ähnlich präzise und umfassend – wie der Folterbericht des US-Senats – Auskunft über die Arbeitsweisen der deutschen Geheimdienste im Kampf gegen den Terror gibt.
Der BND-Untersuchungsausschuss ist zwar in den Jahren 2006 bis 2009 solchen oder ähnlichen Fragestellungen nachgegangen. Die Bundesregierung hat jedoch – wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat – in verfassungswidriger Weise den Zugang zu einer Vielzahl von Beweismitteln (Zeugen, Dokumente) verhindert, so dass das gesamte Potenzial der Beweismittel nicht umfassend ausgeschöpft werden konnte. Damit konnte der Ausschuss seinen Aufklärungsauftrag nicht erfüllen. Auch der NSA-Ausschuss wird zurzeit in gleicher Weise sabotiert.
Folglich können die deutschen Geheimdienste weiterhin unbesorgt und weitgehend unkontrolliert tätig sein. Aufklärungsversuche des Parlaments und der Öffentlichkeit sind bislang weitgehend gescheitert. Dies, obwohl die Geheimdienstkontrolle seit 2009 in Artikel 45d
Grundgesetz ausdrücklich mit Verfassungsrang ausgestattet ist. In einer Demokratie darf es jedoch keine kontrollfreien Räume geben. Die Geheimdienste dürfen nicht zum Staat im Staate werden. Es muss ihnen verwehrt werden, sich weiterhin hinter dem „Mythos des Geheimen“ verstecken zu dürfen. Nur mit einer wirksamen Geheimdienstkontrolle kann in einer rechtsstaatlichen Demokratie sichergestellt werden, dass Geheimdienste nicht zu Rechtsbrechern mutieren. Wir benötigen in Deutschland dringend eine Reform der parlamentarischen Kontrolle.
„Was wir wissen, ist ein Tropfen. Was wir nicht wissen, ist ein Ozean.“ Mit diesen Worten von Isaac Newton lässt sich am besten der Wissensstand – oder vielmehr Unwissensstand – der parlamentarischen Kontrolle über die Nachrichtendienste in unserem Land veranschaulichen.
Staatliche und unter dem Schirm des Geheimen agierende Institutionen stellen in einer rechtsstaatlich verfassten, freiheitlichen und offenen Demokratie ein erhebliches Gefahrenpotenzial für Demokratie und Bürgerrechte dar. Im Dezember 2013 haben 562 international anerkannte Autorinnen und Autoren mit ihrer öffentlichen Intervention gegen die Gefahren der systematischen Massenüberwachung durch Geheimdienste daran erinnert: „Eine der tragenden Säulen der Demokratie ist die Unverletzlichkeit des Individuums. Dieses existenzielle Menschenrecht ist inzwischen null und nichtig, weil Staaten und Konzerne die technologischen Entwicklungen zum Zwecke der Überwachung massiv missbrauchen. Ein Mensch unter Beobachtung ist niemals frei; und eine Gesellschaft unter ständiger Beobachtung ist keine Demokratie mehr.“
Geheimdienste scheinen von jeher ein Eigenleben im Staat zu führen. Es ist ihre unheimliche Heimlichkeit und ihr unkontrolliertes Agieren im Schatten, die die Forderungen nach ihrer Abschaffung beflügeln. Die Befürworter einer solchen Forderung laufen allerdings Gefahr, „das Kind mit dem Bade auszuschütten“. Denn das Gegenteil fehlender Kontrolle ist nicht die Abschaffung, sondern eine umfassende Reform der parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste. Schließlich fordert auch niemand die Abschaffung von Staatsanwaltschaft und Polizei, obwohl das Versagen der Sicherheitsbehörden bei den Mordtaten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) vorrangig auch ein Versagen dieser beiden Behörden war. Denn sie sind für die Verfolgung von konkreten Straftaten und die Festnahme von Tatverdächtigen zuständig und nicht der Verfassungsschutz.
Nur mit einer umfassenden und effizienten Kontrolle der Geheimdienste lassen sich Bürgerrechte und Demokratie wirksam schützen. Eine solche Kontrolle existiert zurzeit nicht. Die gegenwärtige Kontrolle ist ein Witz. Wollte man sie möglichst ineffizient gestalten, müsste man sie so regeln, wie das derzeit der Fall ist.
Der im Anhang gekürzt abgedruckte Gesetzentwurf zur parlamentarischen Kontrolle ist 2009 in meinem Bundestagsbüro erarbeitet worden. Aus heutiger Sicht ist er sicherlich überarbeitungsbedürftig. Insbesondere zwei wesentliche Ergänzungen erscheinen jedoch schon heute unabweisbar: Zum einen sollte die Verletzung der Informationspflicht der Regierung gegenüber dem Parlament als Straftatbestand gewertet werden. Das Parlament bei der Ausübung seines verfassungsrechtlich verankerten Kontrollrechts zu täuschen, auszutricksen und zu hintergehen, ist sicherlich strafwürdiges Unrecht, das erhebliche Strafen verdient.
Zum anderen müsste die personelle Zusammensetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums verändert werden. Eine erfolgreiche Kontrolle steht und fällt mit der Qualität des eingesetzten Personals. Die bisherigen Besetzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums zeigen, dass die dort tätigen Abgeordneten ihr Kontrollverständnis nur allzu oft den Regeln politischer Alltagsopportunität unterwerfen. Sie verkennen dabei, dass die Arbeit im Parlamentarischen Kontrollgremium auch eine justizersetzende Funktion hat. Die im Grundgesetz verankerte Rechtsweggarantie, die sicherstellen soll, dass jeder Eingriff der öffentlichen Gewalt in Grundrechte der Kontrolle der Gerichte unterliegt, ist bei den Nachrichtendiensten wegen der Geheimhaltung praktisch aufgehoben. Das Gremium übernimmt mit seiner Kontrolle daher den Grundrechtsschutz, der ansonsten von der Rechtsprechung gewährt würde. Deswegen ist es folgerichtig, diese Besonderheit bei der personellen Zusammensetzung des Gremiums zu berücksichtigen.
Am besten ließe sich das dadurch erreichen, dass sich das Gremium jeweils zur Hälfte aus Abgeordneten und Richtern zusammensetzt. So könnte verhindert werden, dass die politische Alltagsopportunität der Politiker zur Vernachlässigung der Rechtstreue führt. Ob diese und die anderen Überlegungen, die in dem Gesetzentwurf enthalten sind, eines Tages Gesetz werden, wird die öffentliche Diskussion zu diesem Thema zeigen. Jedenfalls könnten die hier gemachten Vorschläge dabei zusätzliche Informationen und Anregungen liefern. Bei etwaigen Reformbemühungen werden sicherlich auch die Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem NSA-Untersuchungsausschuss zu berücksichtigen sein. Auch das im Anhang befindliche Papier zur Reform des Verfassungsschutzes beschäftigt sich mit einem Geheimdienst – dem für das Inland zuständigen. Nicht zuletzt die NSU-Mordserie hat gezeigt, wie wichtig Reformen insbesondere für diesen Geheimdienst sind. Für eine solche Reformdiskussion könnten die in dem Papier unterbreiteten Hinweise und Anregungen hilfreich sein.
Abschließend gilt mein besonderer Dank dem Verleger Markus J. Karsten vom Westend Verlag, der mir das Angebot gemacht hat, dieses Buch herauszugeben.
Dank schulde ich auch all den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Westend Verlags, die in unermüdlichem Einsatz vor, über und zwischen den Feiertagen die Voraussetzungen für das pünktliche Erscheinen dieses Buches geschaffen haben: Bernd Spamer, Beate Koglin, Rüdiger Grünhagen, Eugen Mihalache, Maximilian David.
Bedanken möchte ich mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines früheren Bundestagsbüros: Katja-Julia Fischer, Christian Blümke, Dr. Jens Lehmann und Marcus Wagner. Ohne ihre klugen Ideen wären die im Anhang enthaltenen Papiere so nicht entstanden.
Wolfgang Neškovi´c, Januar 2015