Der Nixon-Schock
Der Nixon-Schock

Der Nixon-Schock

Ein Gastbeitrag von Matthias Garscha

Ein geheimes Treffen in Camp David führte 1971 zu der wichtigsten währungspolitischen Entscheidung nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie sollte die globale Wirtschaft grundlegend verändern.

Vorbemerkung

Who controls the past controls the future: who controls the present controls the past. (George Orwell)

Warum sich mit einem Ereignis beschäftigen, dass so lange zurückliegt? Das wird sich so mancher Leser nach der Überschrift denken. Gut, es handelt sich um einen runden Jahrestag. Aber ist es deshalb so bedeutsam für unsere Gegenwart? Haben wir nicht genug aktuelle Sorgen und Probleme? Ein wichtiger Tatbestand verbindet die Ereignisse von damals mit unserer Gegenwart. Vor fünfzig Jahren entstand in einem schmerzhaften Prozess eine neue Währungs- und Finanzordnung, die die Entwicklung der Welt bis heute prägt. Man nimmt sie nicht wahr, solange sie reibungslos funktioniert und stabil bleibt. Damals brach die vorherige Ordnung (das Bretton-Woods-System) zusammen und machte Platz für etwas Neues. Die meisten Menschen erleben so eine Transformationsphase, die mit einem hohen Maß an Unsicherheit einhergeht, in einem Zustand der Verwirrung und Ratlosigkeit. Alte Gewissheiten verschwinden und neue Narrative versprechen die Lösung der aufgetretenen Probleme. Was jedoch nie vorausgesehen wird, sind die ungewollten Entwicklungen und Konsequenzen, die in Gang gesetzt werden. 

Alle Wege führen nach Rom, so lautet ein bekannter Ausspruch. Heute stellt man fest, dass viele Wege zur Währungs- und Finanzordnung führen, wenn man die Entwicklungen in der Welt etwas besser verstehen möchte. Eine solche Ordnung ist durch 3 wesentliche Elemente geprägt: a) durch die Möglichkeit Sanktionsmacht auszuüben, b) durch Anreize und Belohnungen bei Befolgung der Regeln und c) drittens durch Legitimität. Diese in der Geschichte zumeist hegemoniale Ordnung ist hierarchisch aufgebaut, wird durch globale Kooperation gesteuert und durch Zustimmung vertraglich geregelt. Werden diese Elemente in Frage gestellt, kann eine Ordnung zusammenbrechen. Mehrere Dynamiken spielen dabei eine wichtige Rolle. Technologische Innovationen, relative ökonomische Machtverschiebungen und politische Rivalitäten sind die bedeutsamsten. Sie bestimmen, wie stabil ein Währungs- und Finanzsystem funktionieren kann. Dazu kommen die Schwierigkeiten, die unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem (Kapitalismus) verursacht. Hier seien nur einige genannt: Konjunkturzyklen, Boom und Bust Phase und Wachstumszwang. Seit einiger Zeit ist uns bewusst, dass diese Wirtschaftsweise die zunehmende Zerstörung unserer Lebensgrundlage in Kauf nimmt. Der Kapitalismus ist auf Wachstum angewiesen, sonst kann er nicht funktionieren. Daher stellt sich die Frage nach der Stabilität unserer gegenwärtigen Ordnung in einem doppelten Sinne. In diesem Beitrag liegt der Fokus auf dem Währungs- und Finanzsystem. Dieses ist seit der Finanzkrise 2008 inhärent instabil. Ohne die Interventionen der  Zentralbanken (besonders der FED) würde es zusammenbrechen. Die Hierarchie sieht wie folgt aus: An der Spitze der Pyramide stehen: 1) der Dollar (FED), 2) darunter die C 6 SWAP Lines (Währungsvereinbarungen der wichtigsten Zentralbanken), es folgen: 3) IWF, Bilateral Swaps, Regionales Pooling, 4) nationale Währungen, 5) nationaler Kredit. Die Hegemonialmacht USA verfügt über die Sanktionsgewalt im System. Sie kann ein Land vom SWIFT-Zahlungsverkehr abschneiden, den Zugang zu ihrem Kapitalmarkt verwehren und dominiert mit dem Gerichtsort New York die Jurisdiktion. Der Anker des Finanzsystems ist der US-amerikanische Staatsanleihen-Markt. Wird er erschüttert, so wankt die ganze Ordnung. In der Corona-Krise erlebte er seinen ersten großen Stresstest und hielt nur dank der Interventionen der FED dem Abwärtsdruck stand. Jochen Wullweber beschreibt in seinen Arbeiten sehr kenntnisreich den Kampf um die Finanzstabilität und hat dafür den Begriff des Zentralbank-Kapitalismus eingeführt. Der Zentralbank-Kapitalismus ist die zur Zeit letzte Entwicklungsstufe, der vor fünfzig Jahren entstandenen Ordnung.

Der Aufstieg Chinas zum weltgrößten Produzenten und der weltgrößten Handelsnation könnte die Vorherrschaft der Vereinigten Staaten (Dollar) im Währungs- und Finanzsystem gefährden. Voraussetzung dafür wäre die vollständige Kontrolle über alle Kapitalbewegungen nach und von China durch ein neues digitales Zentralbankgeld der Bank of China und die Etablierung einer wettbewerbsfähigen chinesischen Finanzindustrie. Die chinesische Führung fürchtet sich besonders vor der Kapitalflucht ihrer Bürger und setzt alles daran, mit technologischen Innovationen die Überwachung zu perfektionieren. Doch auch das würde nicht ausreichen. Es bedarf außerdem der Kooperation und der Zustimmung vieler weiterer Länder um Anreize zu setzen und Legitimität zu erreichen. Beim letzten Wechsel der Weltreservewährung hatte die Ablösung des britischen Pfund Sterling durch den Dollar viele Jahrzehnte benötigt. Doch der Yuan (Renminbi) kann schon jetzt die Funktion eines Schatten-Ankers einnehmen, so war es auch beim Übergang vom Pfund zum Dollar. Weiter könnten neben Nationalstaaten auch Tech-Konzerne eine Rolle spielen. Sie sind auf dem Weg, eine neue Art von Souveränität zu entwickeln, einen neuartigen Möglichkeitsraum, der unsere Vorstellungskraft noch übersteigt. Keine Staatsbürger, sondern virtuelle weltweite Kunden und ihre Daten sind ihre Machtbasis (Bsp. Libra von Facebook/Meta). 

Die Konflikte innerhalb und zwischen den Staaten nehmen massiv zu. Die massive Ungleichheit in der westliche Welt gefährdet die Stabilität des gesamten Wirtschafts- und Finanzsystems. Während die kurzfristig orientierte westliche Marktideologie nur noch wenigen zum Vorteil gereicht, hat das langfristigen Zielen folgende asiatische Entwicklungsmodell hingegen hunderten Millionen von Menschen neuen Wohlstand gebracht. Es könnte schneller, als wir es uns vorstellen können, schon in naher Zukunft wieder zu einem Kollaps und einer Transformation unserer derzeitig dominierenden Währungs- und Finanzordnung kommen, wenn sich die Gewichte in der Welt weiter so schnell verschieben. Um uns besser darauf vorzubereiten, ist es hilfreich, zuerst in die Vergangenheit zu schauen, um Muster und Strukturen besser zu verstehen. Und wir werden manche davon in unserer Zeit sofort wieder erkennen und einiges wird uns wie ein Déjà-vu vorkommen. Sollten wir alle zeitnah eine vergleichbare Transformation erleben, könnten wir mit der zu erwartenden Unsicherheit hoffentlich besser umgehen können. 

Doch Geschichte wiederholt sich nicht, sie reimt sich eher. (Mark Twain)

Ausgangspunkt

Blicken wir nun zurück und versetzen uns in die Lage der Entscheider in der Regierungszeit von Präsident Richard Nixon (1969 bis 1974). In jenen Jahren beginnt eine Transformationsphase, in der neue politische und ökonomische Herausforderungen die Vereinigten Staaten zu einer Kursänderung ihrer geostrategischen Politik zwingen. Ein geheimes Treffen der US-Administration in Camp David führte zu der wichtigsten währungspolitischen Entscheidung nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch ist kaum bekannt, wie konfliktreich und chaotisch die Entscheidungsprozesse vonstatten gingen. 

Als Befreiungsschlag aus einer für die USA zunehmend unhaltbaren Lage gedacht, stellten die Folgewirkungen des Treffens von Camp David das von den Amerikanern aufgebaute Nachkriegssystem auf den Kopf. Was besonders auffällt: Die US-Verantwortlichen nahmen wenig Rücksicht auf ihre Verbündeten. Die neue amerikanische Politik wurde im internationalen Rahmen weitgehend „unilateral“ durchgesetzt und bestimmt die Richtung, in der sich die Welt weiterentwickeln sollte. 

In den Jahren der ersten Nixon-Administration stechen zwei Ereignisse besonders hervor: Erstens kommt es im Zuge von Nixons Reise nach Peking im Februar 1972 zu einer Annäherung der USA und Chinas, welche zu einer Zusammenarbeit beider Staaten im Kalten Krieg gegen die UdSSR führt. Das veränderte das Mächtegleichgewicht auf der Welt nachhaltig. Zweitens: Nixons unilaterale Entscheidung im August 1971, das Goldfenster des Dollars zu schließen, leitet die Entwicklung zu unserem heutigen Welt-Finanz- und Währungssystem ein. 

Die langfristigen Folgen dieser beiden Entscheidungen spüren wir bis heute. Fünfzig Jahre danach ist eine immer noch unangefochtene und immer dominantere Dollar-Hegemonie entstanden, die so von vielen Beobachtern nicht erwartet worden war und die einer Erklärung bedarf. Gleichzeitig hat die Öffnung Chinas und seine spätere Integration in die Weltwirtschaft die geopolitische Machtstruktur nachhaltig verändert. Es stellt sich die Frage nach dem Warum. Welche Entwicklungen und strukturellen Faktoren führten damals zum Scheitern des Systems von Bretton Woods? Und wie sind wir zu unserem heutigen Währungssystem (Fiat Geldsystem, flexible Wechselkursen und freier Kapitalverkehr) gelangt. 

Das Bretton-Woods-System bis Nixons Machtübernahme

Die alte Währungsordnung von Bretton Woods wird auf dem Höhepunkt amerikanischer Machtentfaltung im Jahr 1944 beschlossen. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs entfallen mehr als 50% der Weltproduktion auf die Vereinigten Staaten, die zugleich einen enormen Leistungsbilanzüberschuss und mehr als zwei Drittel der weltweiten Goldvorräte besitzen. Nach den schlimmen Erfahrungen der 1930er Jahre suchte man nach einer Lösung für das sogenannte „Trilemma“ der internationalen Währungsordnung, nachdem nur zwei von drei Variablen simultan in einer institutionellen Ordnung erreichbar seien: feste Wechselkurse, eine autonome nationale Geldpolitik und offene Kapitalmärkte. In Bretton Woods entscheidet man sich für die ersten beiden Variablen: feste Wechselkurse und eine autonome nationale Geldpolitik.  

Aufgrund der großen Probleme in der Nachkriegszeit – aus geopolitischen Überlegungen leisten die Amerikaner Westeuropa und Japan Wirtschaftshilfe – kann die vorgesehene institutionelle Ordnung erst 1958 voll verwirklicht werden. Doch kaum ist die Währungsordnung von Bretton Woods mit der Konvertibilität der Währungen etabliert, beginnen auch schon seine Probleme. 

Die Hauptursache für das nun beginnende Dollar-Problem ist, dass sich die Zahlungsbilanz der Vereinigten Staaten allmählich von einem Überschuss in ein Defizit verschiebt. Eine Entwicklung, die zunehmend die amerikanische Machtentfaltung einschränkt, da ein Leistungsbilanzdefizit dem Hegemon in der alten Ordnung Fesseln anlegt: Die Weltmacht trägt die Hauptlast der finanziellen Verpflichtungen im Kalten Krieg, was in den beiden ersten Dekaden nach dem Krieg noch ohne Probleme möglich ist. Mit dem Beginn des Vietnamkriegs und der zunehmenden atomaren Aufrüstung der Sowjetunion wird jedoch die Überforderung immer deutlicher.  

Ein weiteres Problem besteht darin, dass die ausstehenden Dollar-Verpflichtungen seit 1964 die amerikanischen Goldvorräte übersteigen. Die Folge: zunehmende spekulative Angriffe auf den Dollar und die Errichtung eines Goldpools, in dem die Zentralbanken gemeinsam in den Goldmarkt intervenieren, um die Parität zu verteidigen. 

Relative ökonomische Verschiebungen wirken ebenfalls destabilisierend auf die monetäre Ordnung, die um die westliche Vormacht gebaut worden war. Westeuropa und Japan erleben einen historisch beispiellosen Wirtschaftsaufschwung und werden Wettbewerber der USA auf den Weltmärkten. Gleichzeitig wird der Druck auf das System größer, weil sich die Machtbalance zwischen den Staaten, den Banken, Investoren und multinationalen Unternehmen verschiebt. Die immer dichtere finanzielle Verflechtung und zunehmende Direktinvestitionen tragen wesentlich zu den großen Spannungen im Währungssystem bei. 

Ein wichtiger Mechanismus, der dem Finanzkapital als Hebel in diesem Ringen diente, ist der neuartige „Offshore“ (Eurodollar) Markt, der sich seit 1958 von London aus langsam zu einer wichtigen Größe entwickelte (er hat nichts mit dem heutigen Euro zu tun). Zu Beginn als eine Anomalie angesehen (ein von der Regulierung befreiter Raum), entwickelt er sich zu einer der wichtigsten Ursachen für die zunehmenden Störungen im Bretton-Woods-System. Mit dem Eurodollar entstanden zugleich die Institutionen, welche die Rückkehr von Global Finance in die internationale Währungsordnung ermöglichen. Er befördert jenen offenen Kapitalmarkt, der in Bretton Woods weitgehend reguliert worden war. Doch bestimmte Interessengruppen in Großbritannien und den Vereinigten Staaten unterstützten nachhaltig die Entwicklung des Eurodollar-Marktes. Seine Geschichte ist ebenso verwirrend wie geheimnisvoll und soll in einem eigenen Beitrag erzählt werden. 

Die erste wirklich große Erschütterung des Bretton-Woods-Systems gab es im November 1967 mit der Krise des britischen Pfund Sterling. Den Regierungen und Zentralbanken gelang es nicht mehr, mit einer koordinierten Intervention die Abwertung des Pfund Sterling zu verhindern. Die britische Währung verlor seit dem Krieg an Bedeutung und befand sich als Weltreservewährung auf dem Rückzug. Schon 1955 hatte der Dollar das Pfund als wichtigste Transaktionswährung und Reservewährung weltweit abgelöst. Doch diese Transformation war ein kritischer Prozess, da viele Währungen der Welt nach wie vor an das Pfund gekoppelt waren. In Europa, wo der Wechsel vom Pfund zum Dollar schon mit dem Marshallplan kurz nach dem Krieg stattgefunden hatte, war allen Beteiligten bewusst, dass der Dollar als nächstes unter Druck geraten würde. 

Der französische Präsident De Gaulle hegt insgeheim sogar den Wunsch, den Dollar als Weltleitwährung abzulösen und wieder einen Goldstandard zu etablieren, was zu erheblichen Spannungen mit Washington führt. Die Amerikaner würden ihre Verpflichtungen im Bretton-Woods-System nicht einhalten und die negativen Folgen ihrer Vernachlässigung den Verbündeten aufladen, so der Vorwurf Frankreichs. 

Die Franzosen spielen auf die “importierte Inflation” an: Indem die Zentralbanken der Mitgliedstaaten Dollar am Devisenmarkt aufkaufen, gewährleisten sie die fixen Wechselkurse des Bretton-Woods-Systems. Während die Vereinigten Staaten nur die Dollar/Gold Parität beachten müssen, liegt die Verteidigung des festen Wechselkurses beim jeweiligen Land. Dadurch schwappt die inflationäre Entwicklung der USA, die durch den Vietnamkrieg, die großen Ausgaben für die Great Society und eine in Gang kommende Lohn-Preisspirale der Tarifpartner immer mehr zunimmt, in die anderen Staaten über. 

All diese Faktoren erhöhen stetig den Druck im Bretton-Woods-System. Im März 1968 wird schließlich der von den Zentralbanken gemeinsam organisierte „Goldpool“ aufgelöst, der seit 1960 das Dollar/Gold-Wechselverhältnis stabilisiert hatte. Ab diesem Zeitpunkt gibt es einen gespaltenen Goldpreis für Privatpersonen und Zentralbanken. Seitdem können nur noch die Zentralbanken ihre Dollar gegen Gold bei den Vereinigten Staaten tauschen. Der erste Pfeiler von Bretton Woods ist damit zusammengebrochen.

Nixon und das Primat der Geopolitik 

Auch auf dem politischen Feld geraten die Dinge in Bewegung. Die 1969 an die Macht gekommene Nixon-Regierung ist die erste amerikanische Administration, die den wirtschaftlichen Aufstieg der EWG und Japans der Nachkriegszeit mit Argwohn betrachtet. Der Kern der Nixon-Doktrin vom Juli 1969 kommt in seiner Formel: „Streben nach Erneuerung“ deutlich zum Ausdruck. Wichtigstes Ziel ist die Absicherung der amerikanischen Machtstellung. Die USA streben eine Neuverteilung der Lasten mit den Verbündeten an. Dieser Vorstoß steht im Zusammenhang mit einem weiteren Ziel: Man möchte den Spielraum für die nationale Wirtschaftspolitik erweitern. Das Währungssystem von Bretton Woods wird dabei zunehmend als Belastung empfunden. 

Bereits im Februar 1969 ist der Unterstaatssekretär für Währungsfragen Paul Volcker von Nixon beauftragt worden, Vorschläge für eine Reform des Währungssystems auszuarbeiten. Volcker versucht zunächst, eine graduelle Reform der bestehenden Ordnung: Er will den Dollar abwerten, um die Zahlungsbilanz auszugleichen, sowie die schnelle Aktivierung der SDR (Sonderziehungsrechte) beim IWF. Diese internationale Reserve-Anlagen waren von der Regierung Johnson mit dem Ziel unterstützt worden, den Druck auf den Dollar zu vermindern. Damit sollten zugleich die militärischen Lasten in Europa neu verteilt werden, doch über ihre Ausgestaltung und Verwendung kann man sich nicht verständigen

Um die verlorengegangene amerikanische Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen, sollten Veränderungen im System der festen Wechselkurse von Bretton Woods vorgenommen werden. Hauptziel war zwar eine Abwertung des Dollars. Jedoch sollte dies nicht durch eine Veränderung des Festpreises von 35 Dollar für eine Unze Gold geändert werden (das hätte nur System-Rivalen und Goldförderländer wie die UdSSR, Südafrika, Frankreich etc. begünstigt), sondern die anderen Staaten sollten ihre Währungen aufwerten.

Dazu konnte man sie innerhalb des Bretton Woods Systems nicht einfach zwingen. So verblieb nur eine sehr konfliktreiche Möglichkeit. Mit dem Schließen des Goldfensters (Konvertibilität von Dollar in Gold) und später der Einführung eines generellen Importzolls, würde man die Partner an den Verhandlungstisch zwingen. Für volle zwei Jahre verblieb diese radikale Maßnahme in der Schublade. Die Einwände der FED und des Außenministeriums vor den Folgen gegenüber den Verbündeten waren zu groß und ließen der Regierung anfangs nur die Möglichkeit, die anderen Regierungen diplomatisch zu überzeugen.

Auf seiner ersten Europareise (Frühjahr 1969) versuchte Nixon mit dieser „Gradualismus“ genannten Politik vergeblich, die Europäer zu überzeugen. Zeitgleich mit seiner Europa-Reise kam es zu kriegerischen Zusammenstößen der UdSSR und der VR China an der gemeinsamen Grenze. Mit einem Schlag wurde der Riss zwischen den zwei kommunistischen Regimen für die Weltöffentlichkeit deutlich und eröffnete den USA eine neue strategische Möglichkeit im Kalten Krieg. Dies führte zur Öffnung geheimer diplomatischer Kanäle zur VR China, zu Kissingers geheimen Reise nach Peking (Juni 1971) und der Bekanntmachung von Nixons Einladung nach Peking im Juli 1971. Diese Entwicklung entlastete die USA in mehrfacher Hinsicht. Sowohl gegenüber der UdSSR (die in Abrüstungsfragen nachgiebiger wurde) als auch im Vietnamkrieg (wo eine Intervention durch die VR China unwahrscheinlicher wurde). Nixon hatte im Sommer 1971 gleich zwei weltpolitisch wichtige Entscheidungen zu treffen, eine geopolitische und eine geoökonomische. Nachdem seine geplante Reise nach Peking öffentlich bekannt gemacht worden war, spitzte sich die Situation an der Währungsfront zu.

Der Druck für eine Reform wächst

Schon die  Währungskrise um den Franc, verursacht durch den Rücktritt De Gaulles im April 1969 und die Politisierung der Frage einer DM-Aufwertung im deutschen Wahlkampf 1969 zeigten den zunehmenden Einfluss der vom Eurodollarmarkt auf die Politik der einzelnen Länder ausging. Die Währungsparitäten wurden zunehmend von den Spekulanten getestet. Die (neo-)liberalen Berater des Präsidenten empfahlen schon in diesem Moment, die Chance zu nutzen, um das Währungssystem in Richtung flexibler Wechselkurse zu reformieren. Doch die Außen- und Sicherheitspolitiker überzeugten den Präsidenten davon, dass dies die Verbündeten aufbringen würde, und man verzichtete auf eine Intervention. Nach Oktober 1969 blieb es für 18 Monate ruhig an der Währungsfront.

Ein wesentlicher Grund dafür war der Kurswechsel in der Geldpolitik der amerikanische Zentralbank (FED). Eine restriktivere Geldpolitik mit hohen US-Notenbankzinsen hatte von März 1968 bis Mitte 1970 für einen stetigen Zufluss von Eurodollar (außerhalb der US-Jurisdiktion gehaltene in Dollar nominierte Forderungen und Verbindlichkeiten) gesorgt, welche die amerikanischen Defizite finanzierten. Eine prekäre Situation, die bei veränderten Zinsgefällen jederzeit ins Gegenteil umschlagen konnte. Im Januar 1970 wurde FED-Chairman Chesney Martin durch Arthur Burns abgelöst. Burns, ein alter Wegbegleiter von Nixon, senkte sofort die Zinssätze der FED und leitet eine expansive Geldpolitik ein. Nach fortlaufenden Zinssenkungen durch Burns drehten sich die Kapitalströme um. Von da an bestimmte die Aussicht auf eine Aufwertung von DM und Yen sowie eine Abwertung des Dollars die Erwartungen der Spekulanten. Die nicht koordinierte Zinspolitik von FED und Bundesbank hatte nach Ansicht vieler Beobachter einen entscheidenden Anteil an der Verschärfung der Krise des Währungssystems. Die Volumina der kurzfristigen Kapitalströme, die von den Offshore-Märkten (Eurodollar) ausgingen, waren immens angewachsen. Nur noch koordinierte Interventionen der Zentralbanken und Regierungen würden sie kontrollieren können. Doch die verschiedenen Regierungen und Zentralbanken verfolgten eine nationale Wirtschaftspolitik und unterschiedliche Ziele. Eine koordinierende Politik und ein gemeinsames Interesse am  Erhalt des Währungssystem war nicht zu erkennen (ein typisches Beispiel für ein Konkurrenz-Paradox). Jeder war nur um seinen eigenen Vorteil besorgt.

In den Vereinigten Staaten stieg derweil der Leidensdruck in der nationalen Wirtschaft. Die relativ höhere Inflation hatte im Lauf der letzten Jahre zu einer Überbewertung des Dollars geführt. Damit verloren die amerikanischen Produzenten zuhause und auf den Weltmärkten deutlich an Wettbewerbsfähigkeit, besonders gegenüber Japan und der BR Deutschland. Der Verlust von Marktanteilen und die Stagnation der Industrieproduktion in der US-Wirtschaft führte zu protektionistischen Tendenzen im Kongress. Die Handelsbilanz der USA verschlechterte sich zusehends und wies 1971 zum ersten Mal seit 1893 einen negativen Saldo aus.

Im Februar 1971 trat der Texaner John Connally das Amt des US-Finanzministers an. Sein Vorgänger hatte Nixons Erwartungen nicht erfüllt. Jetzt übernahm jemand das Ministerium, der den Vorstellungen des Präsidenten nahe kam. Beide stimmten darin überein, dass man entschlossen im nationalen Interesse handeln müsse. Nixon hatte wenig Interesse an Währungsfragen, führte aber die zunehmenden Probleme der amerikanischen Wirtschaft auf das internationale Währungssystem zurück. Er war jedoch auch in Sorge über die außenpolitischen Auswirkungen währungspolitischer Entscheidungen. Das bestimmte sein unentschlossenes Handeln in den ersten Jahren. 

Im Mai 1971 kam es dann zu der lange erwarteten Währungskrise, in deren Zentrum diesmal Dollar und Deutsche Mark standen. Die Deutschen wussten sich nur noch durch die Freigabe des Wechselkurses zu helfen.  Das einseitige Floaten der DM führte zu großen Spannungen zwischen Frankreich und Deutschland innerhalb der EWG. Der 1969/70 gefasste Plan für eine Währungsunion (Werner-Plan) und das Funktionieren des Gemeinsamen Agrarmarktes standen zur Disposition. Die Europäer waren weit entfernt von einer einheitlichen Linie, was die Frage einer Reform der Währungsordnung betraf. Die größte Änderung jedoch, die die neue Währungskrise hervorrief, bestand in der Wirkung auf die Vereinigten Staaten. Der amerikanischen Regierung wurde bewusst, dass man nicht länger das Problem einer Reform aufschieben konnte, wenn man nicht von den Ereignissen überrollt werden wollte. Die Flucht aus dem Dollar bedrohte die amerikanische Position in der Welt. 

Der Weg nach Camp David

The Cast  

  • John Connally    (US-Finanzminister 2/71 – 5/72) 
  • Paul Volcker       (Unterstaatssekretär für Währungsfragen seit 1/69)  
  • Arthur Burns       (FED-Chairman seit 1/70) 
  • George Shultz    (Budget Director; US-Finanzminister seit 5/72) 
  • Henry Kissinger  (Sicherheitsberater, NSC,  seit 1/69)
  • Paul McCracken  (Chefberater im Council of Economic Advisers) 
  • Peter Peterson      (Direktor CIEP, seit 12/70) 

Die Währungskrise im Mai 71 hatte Paul Volckers Ansichten radikal verändert. Für langwierige Verhandlungen war nun  keine Zeit mehr, es musste gehandelt werden. Bis zum 8. Mai hatte er einen Notfallplan für seinen Chef Connally ausgearbeitet. Er enthielt folgende Punkte: (1) Die USA sollten Goldverkäufe einstellen, um den Europäern und den Japanern klarzumachen, dass Washington nicht blufft; (2) Washington sollte Investitionsanreize für US Unternehmen und die Automobilindustrie im Speziellen anbieten, um das Wachstum anzukurbeln; (3) die US-Regierung sollte Budget-Einsparungen vornehmen, um klar zu signalisieren, dass es seine eigenen Ausgaben in Ordnung bringt; und (4) Washington sollte Lohn- und Preisrichtlinien festsetzen oder direkt Löhne oder Preise festlegen, um die Inflation niedrig zu halten. Paul Volckers aggressiver Plan nannte sich Notfallplan: Optionen für das internationale Geldproblem, ein dreiundsechzig Seiten langes Dokument, das bis Mitte August mehrmals verändert wurde.

Am 26.06.71 entschied Nixon, dass er von seiner Regierung aus ein einheitliches wirtschaftspolitisches Auftreten erwarte. Finanzminister John Connally würde von nun an die Führung innehaben und das Regierungshandeln erklären. George Shultz, der Budget-Direktor, war darüber nicht glücklich. Paul Volcker passte regelmäßig Handlungsoptionen in den Notfallplan ein. Aber die Ideen mussten den Präsidenten überzeugen, und falls sie das schaffen sollten, würde die Durchsetzung erfordern, dass alle Mitglieder der Regierung als geeintes Team an einem Strang ziehen. Nixon, Connally und Shultz dachten, dass, wenn es einen Abweichler in der Gruppe gäbe, es der FED-Vorsitzende Arthur Burns sein würde. Nixon gewann zunehmend den Eindruck, dass Burns nicht mehr mit ihm an einem Strang zog. Besonders im Bereich der Inflationsbekämpfung vertrat der Zentralbank-Chef eine abweichende Meinung gegenüber der Regierung. Doch die Federal Reserve war eine unabhängige Institution, der man nicht einfach Befehle erteilen konnte. Der Präsident  musste sich etwas einfallen lassen, damit Burns mitmachen würde.

Je weiter der Sommer fortschritt, desto mehr sorgte sich der Präsident darüber, dass die USA ihre Wettbewerbsfähigkeit verlor. Am 6. Juli 1971 sprach der Präsident in Kansas City über die großen Veränderungen in der Welt und über die Notwendigkeit, dass sich Amerika daran anpassen müsse. Er wiederholte die Nixon-Doktrin nicht nur im Kontext der geopolitischen Situation, sondern auch im Kontext der notwendigen Veränderung der US-Politik in Bezug auf die Weltwirtschaft.

Am Montag, dem 2. August fand eine alles verändernde vierstündige Sitzung zwischen Nixon, Connally, Shultz und Haldeman im Oval Office statt. Connally kam mit einem dicken Vorschlag-Buch an, das von Paul Volcker und seinem Team ausgearbeitet worden war. Es war im Prinzip Volckers neueste Version seines Notfallplans in der Fassung vom 27. Juli. Das wichtigstes Ergebnis war, dass man die innenpolitischen und internationalen Maßnahmen zugleich durchführen würde. Um den Leverage (Druck, Hebel) zu erhöhen, wurde von Connally (gegen den Willen von Volcker und Schultz) zusätzlich ein 10%iger Importzoll in den Plan aufgenommen.  

Zwischen 2. und 12. August fanden einige weitere Treffen statt, aber jetzt lagen die Vorschläge auf dem Tisch und blieben relativ gleich. Abgesehen vom Präsidenten waren Connally und Schultz die einzigen wirklich Eingeweihten in diesen Prozess, obwohl Burns einige Tage darauf eingeweiht wurde. Im Hintergrund war es Paul Volcker, dessen Handlungspläne die einzige umfassende Dokumentation waren, auf denen Connallys Gesamtpaket von Vorschlägen beruhte. Der Ökonom Paul McCracken (Chef-Berater im Council of Economic Advisers) und der ehemalige Manager Peter Peterson (Direktor des Council of international Economic Policy, CIEP) waren außen vor. Wer in dieser Insider-Gruppe vollständig fehlte, waren die Außen- und Sicherheitspolitiker.

Die Ziele der Beteiligten gingen dabei weit auseinander. George Shultz versuchte die Tür offen zu halten für flexible Wechselkurse. Er war gegen den Plan von Connally und Volcker, den Dollar nur vorübergehend floaten zu lassen, um nach einer Aufwertung der anderen Währungen schließlich wieder feste Wechselkurse einzuführen. Arthur Burns war ein konservativer Zentralbanker, von dem Nixon wusste, er würde die Währungsstabilität und multilateralen Absprachen im Hintergrund mit anderen ähnlich denkenden Zentralbankern vorziehen, anstatt unilateral vorzugehen, was Connally und Nixon bevorzugten. 

Nixon wollte die nationalen und die internationale Vorschläge des Pakets immer noch trennen und die Pläne für das eigene Land priorisieren. Er blieb skeptisch gegenüber einer Abwertung des Dollar, eine Entscheidung, die als Niederlage für die USA interpretiert werden könnte. McCracken hatte seine fundamentalen Glaubenssätze als Ökonom bezüglich der Vorteile von flexiblen Wechselkursen und seiner Aversion gegen Lohn- und Preiskontrollen beiseite gelegt. Er wusste, woher der Wind wehte (Connallys großer Einfluss auf den Präsidenten), und wollte Teil des Teams sein. Auch Peter Peterson, der die wichtigen Studien über die Wettbewerbsfähigkeit der USA verfasst hatte, konnte seine industriepolitischen Vorschläge nicht einbringen und musste sich den Vorgaben Connallys unterordnen.  

Am 12. August hatte die Krise endgültig das Weiße Haus erreicht. In der Woche zuvor hatten 4 Milliarden Spekulationsgelder die USA verlassen. An nur zwei Tagen – am Donnerstag, dem 12. und Freitag, dem 13. August war die Spekulation gegen den Dollar so stark, dass die Westdeutsche D-Mark, die seit Anfang Mai frei an den Devisenmärkten gehandelt wurde, auf einen 20-Jahre-Rekordwert gegenüber dem Greenback stieg. Allen war zu diesem Zeitpunkt bewusst, dass jetzt ein forsches Handeln besser war als schrittweise Anpassungen. 

Connally spürte die Unruhe auf den Märkten und erkannte, dass der Präsident und sein Team Gefahr liefen, die Initiative zu verlieren. Er telefonierte mit Volcker und sagte, dass er am Nachmittag nach Washington zurückkehren werde. Connally erreichte Washington am frühen Abend und traf sich in Nixons eigentlichem Arbeitsbüro mit dem Präsidenten und Shultz. Nixon wollte nochmal alle Optionen durchgehen. Er sprach noch immer von einem 2-phasigen Plan für die nationalen und internationalen Teile des Pakets.

Connally betonte, dass es entscheidend sei, das große Ganze in den Fokus zu nehmen, nicht individuelle Bestandteile: „Das Wichtigste werden die Auswirkungen auf das amerikanische Volk sein“, fuhr Connally fort. „Das internationale Ding, zum Teufel, wird noch eine ganze Weile in der Krise sein, so wie auch schon vorher … und ich denke nicht, dass wir uns darüber sorgen sollten.“ Connally erklärte, dass Exporte lediglich 4 Prozent des BIP ausmachten und dass es falsch sei, wenn Nixon sich von der internationalen Situation leiten lasse.

Daraufhin schien Nixon endgültig hinter dem gesamten Paket zu stehen, also hinter einer gleichzeitigen Präsentation von sowohl den nationalen als auch den internationalen Aspekten. Er stimmte zu, so schnell wie möglich zu handeln. In die genauen Formulierungen der Ankündigung vertieft, sprach Nixon von der Macht einer einfachen Rede. „Das ist nicht etwas, wo ich denke, dass es … eine große Ankündigung geben sollte. Ich glaube, es ist so wie bei der China-Ankündigung, wo die Maßnahme so mächtig ist, dass die Worte sehr knapp gehalten werden sollten.“

Connally hatte den Präsidenten vollständig überzeugt. Jetzt sagte Nixon, dass am kommenden Nachmittag ein Treffen in Camp David stattfinden soll. „Die Zeit für eine Entscheidung ist gekommen …“

Das geheime Treffen in Camp David 

Auch im Kongress war jetzt ein kritischer Punkt erreicht. Das Repräsentantenhaus hatte am 06.08.71 einen eigenen Plan vorgestellt, der eine Intervention durch den IWF vorschlug, um das bestehende System zu stabilisieren. Die Regierung musste befürchten, dass der Kongress das Heft des Handelns in seine Hand nahm. Mehrere europäische Länder tauschten Dollar gegen Gold. Zusätzlich machten Gerüchte über einen Dollar/Goldtausch der Bank of England die Runde. Bis heute ist nicht klar, ob das initiiert worden war. Die Inflation erreichte neue Höchststände und verstärkte den spekulativen Abwärtsdruck auf den Dollar. Die normale Antwort wären Zinserhöhungen gewesen, um den Dollar attraktiver zu machen. 

Doch Nixon und Burns waren nicht bereit, vor den Wahlen 1972 die Zinsen anzuheben. Nixon wollte auf keinen Fall seine Wiederwahl durch eine Rezession gefährden. Alles würde bei dem Treffen in Camp David am Wochenende (13.–15.08.71) entschieden werden.  Die Bekanntmachung der neuen Politik sollte mit Hilfe einer TV-Ansprache am Sonntagabend erfolgen, vor Öffnung der Märkte in Asien. Nixon versammelte seine Berater in Camp David. Er war jetzt entschlossen, die Regierung wieder in die Offensive bringen. Niemand durfte nach draußen telefonieren, alles geschah unter strengster Geheimhaltung. Unter den Beratern befand sich kein einziges Mitglied des Außenministeriums, auch Kissinger war nicht anwesend (dieser war in Paris und verhandelte mit den Nordvietnamesen). Ob seine Teilnahme am Ausgang etwas geändert hätte, ist unter Fachleuten umstritten.

Arthur Burns machte sich Sorgen um die Reaktionen seiner Zentralbank-Kollegen, wenn die Amerikaner das Goldfenster schließen würden. Er verhinderte in einer hitzigen Debatte die Abschaffung der Kapitalverkehrskontrollen, welche die Regierungen Kennedy und Johnson beschlossen hatten. Sehr zum Verdruss von George Shultz und Paul McCracken, die sie abschaffen wollten. Ansonsten war der FED-Vorsitzende mit der Ausnahme der Gold-Frage an Bord. Besonders die Zustimmung Nixons zu den Lohn- und Preiskontrollen sowie den Budget-Einsparungen hatten ihn erfreut. Für den FED-Chef waren diese Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung am wichtigsten. Nixon hatte es fast geschafft, eine einheitliche Linie herzustellen. George Shultz war zwar gegen die Preis- und Lohnkontrollen, sowie gegen die Importzölle, unterstützte jedoch das Schließen des Goldfensters. Seine Chance würde bald kommen, denn er sah weiter nach vorne als alle anderen. Peter Petersson und Paul McCracken konnten sich nur noch mit ihrer Meinung den anderen anschließen. Nur FED-Chairman Arthur Burns war noch immer strikt gegen den Plan, das Goldfenster zu schließen. Auf Burns Einwände, das Ausland könne Vergeltungsmaßnahmen ergreifen,  antwortete Connally: „Lasst Sie doch. Was können Sie schon tun.“

Am Ende gab Burns nach. Danach ging es im Wesentlichen  darum, wie man alles der amerikanischen Öffentlichkeit verkaufen würde. Die Redenschreiber waren an der Reihe. Einen Namen für das Ganze gab es schon: „The New Economic Policy“. Die neue Politik signalisierte eine vollständige Abkehr von der amerikanischen Nachkriegspolitik gegenüber den Verbündeten. Nixon musste zuallererst seine Landsleute überzeugen, deshalb waren für jeden in Amerika etwas enthalten. Für die Unternehmer und Gewerkschaften die Importzölle, für den einfachen Amerikaner die Preis- und Lohnkontrollen, und die Spekulanten würden durch das Schließen des Goldfensters getroffen werden. Die widerspenstigen Verbündeten würden zudem an den Verhandlungstisch gezwungen werden. Richard Nixon war allen zuvorgekommen, besonders aber den Demokraten im Kongress. 

Man kann aus heutiger Sicht sagen, dass zum Schluss die innenpolitischen Gesichtspunkte für Nixons Entscheidung ausschlaggebend waren. Einer der seltenen Momente, in denen er seine außenpolitischen Befürchtungen über die Folgen einer Entscheidung während seiner Amtszeit zurückstellte. Am 15.08.71 trat Nixon am Abend im Fernsehen auf und erklärte der amerikanischen Öffentlichkeit seine Entscheidungen.

Die TV-Ansprache von Nixon am 15.08.71

Der Präsident begann seine Erklärung mit einigen Anmerkungen zu den positiven Entwicklungen in Vietnam, um dann weiter auszuführen, dass es nun Zeit sei über die Wirtschaft zu reden. Es gebe drei Probleme: Arbeitslosigkeit, Inflation und das Währungssystem von Bretton Woods. Um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, kündigte Nixon Steuersenkungen an. Um die Inflation einzudämmen, kündigte er die ersten Lohn- und Preiskontrollen der amerikanischen Geschichte in Friedenszeiten an. Und um das Handelsgleichgewicht wiederherzustellen, verkündete er, die Vereinigten Staaten würden den Tauschwert des Dollar nicht länger garantieren. Er verkaufte den letzten Punkt als einen Schlag gegen die internationalen Spekulanten.

Nixon versicherte den Amerikanern, dass die Abwertung des Dollars die Preise der heimischen Güter nicht beeinflussen werde, die gleiche Halbwahrheit, die Premierminister Wilson vier Jahre zuvor den Briten aufgetischt hatte. Alles in allem war die Ansprache Verkündigung eines  puren Wirtschaftsnationalismus. Dass den USA beim Konkurrenzkampf die Hände gebunden sind, sei nicht mehr erforderlich, betonte Nixon. Die Botschaften waren klar nach innen gerichtet. Die TV-Ansprache dauerte gerade einmal 18 Minuten (Youtube-Video). Nixon erklärte kurz, aber präzise die einzelnen Punkte der „New Economic Policy“, um am Ende einen Text von 1775 zu zitieren: „Viele nachdenkliche Menschen glauben, Amerika habe seine besten Tage hinter sich. Doch damals wie heute gelte, unsere besten Tage liegen vor uns“.

In der Geschichte der Vereinigten Staaten war es eine Meisterleistung von Richard Nixon wie er seine politische Entscheidung an die Amerikaner verkaufte!

Mit einem Schlag hatte Richard Nixon die Zustimmung der Amerikaner und der Mitglieder beider Parteien im Kongress erreicht. Seine beiden großen Entscheidungen – China und die New Economic Policy – hatten seine Chancen für eine Wiederwahl im nächsten Jahr deutlich verbessert. Mit der Reaktion zuhause zufrieden blickten die Verantwortlichen jetzt aufs Ausland. Wie würde die Welt auf diesen Paukenschlag reagieren? 

(wird fortgesetzt)

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