Als die Welt fast noch in Ordnung war, also ungefähr um 2008, als nur Insider über NSA und Prism wussten, weckte der Begriff Open Government viele Hoffnungen in Bezug auf Offenheit und Interaktionsfähigkeit des Staates gegenüber Bürgern und Wirtschaft. Bei Wikipedia heißt es gar, „dass der Staat zukünftig verstärkt mit der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft kooperieren muss, um spezifische Steuerungs- und Akzeptanzprobleme heutiger politisch-administrativer Systeme zu entschärfen. Die gemeinsame Problemlösung von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft könne mit dem Unterbegriff „Open Innovation“ umschrieben werden, der somit zum zentralen Umsetzungskonzept des gegenwärtigen Open Government-Diskurses werde. Dabei gehe es – im Sinne eines mitlaufenden, jedoch klar abgrenzbaren Diskurses – immer auch um Fragen der Erneuerung der Demokratie.“
Spätestens seit Neuland und Prism ist nun digitale Kompetenz ein wichtiges Thema für die Bundestagswahl im September. Das Deutsche Telekom Institute for Connected Cities (TICC) der Zeppelin Universität in Friedrichshafen hat sich unter Federführung von Prof. Dr. Jörn von Lucke deshalb der Frage gewidmet, welche Vorschläge sich in den Wahlprogrammen der Parteien zu den Themen Transparenz und Online-Partizipation finden lassen. Im Fokus der Forscher lag dabei die angestrebte Veränderung von Politik und Verwaltung. Tatsächlich lassen sich in allen Wahlprogrammen bereits Teilaspekte einer solchen Öffnungsstrategie finden. Die Parteien legen jedoch die nachfolgenden unterschiedlichen Schwerpunkte.
- CDU/CSU setzen auf eine bürgernahe Verwaltung und E-Government, um Politik und Verwaltung transparent und nachvollziehbar zu gestalten. Zudem sollen sich Bürger aktiv in Debatten einmischen können.
- Die FDP will die repräsentative Demokratie in Deutschland öffnen, stärken und beleben sowie bestehende öffentliche Open Data-Angebote fortführen und ausbauen.
- Die SPD möchte die klassisch-repräsentative Demokratie um neue und weitergehende Formen der demokratischen Partizipation ergänzen. Diesbezüglich setzt sie auf digitale und technische Innovationen.
- Bündnis 90/Die Grünen sind die einzige Partei, die eine umfassende Open Government-Strategie für Deutschland fordert. Sie setzt sich ein für ein Transparenzgesetz nach Hamburger Vorbild und die konsequente Umsetzung von Open Data.
- Die LINKE verlangt umfassende Informations- und Auskunftsrechte für Bürger. Gesetzgebung und Regierungshandeln sollen durch Open Data transparent gemacht werden.
- Die Piratenpartei will den transparenten Staat, transparente Behörden, Open Data und den freien Zugang zu öffentlichen Inhalten. Ihren Vorstellungen nach sollen die Bürger bessere Möglichkeiten zur Beteiligung erhalten.
Unter den Vorschlägen finden sich auch bemerkenswerte Forderungen wie die nach einer Open Innovation-Initiative (CDU), einem Lobbyistenregister (SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die LINKE, Piratenpartei) mit „legislativer Fußspur” in Gesetzesentwürfen (SPD), einer „transparenten Außenpolitik“ und einem freien Zugang zu wissenschaftlichen Studien und Forschungsergebnissen als Ansatz in der Entwicklungspolitik (Piratenpartei).
„Staat und Verwaltung werden sich in den kommenden Jahren öffnen und verändern“, fasst Jörn von Lucke, Professor für Verwaltungs- und Wirtschaftsinformatik an der Zeppelin Universität, Gründungsdirektor des TICC und Leiter der Studie, zusammen. „In den Wahlprogrammen sind bereits viele Forderungen zu einem offenen Regierungs- und Verwaltungshandeln enthalten: Bürgernähe, Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Offenheit. Entscheidend wird sein, welche Vorschläge ihren Weg in den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung finden, wer sich für eine Umsetzung einsetzt und welches Ressort konkret welche Mittel zur Verfügung gestellt bekommt.“
Das Gutachten der Zeppelin-Universität zu „Open Government in den Wahlprogrammen zur Bundestagswahl 2013“ kann unter folgender Internetadresse heruntergeladen werden:
http://www.zu.de/deutsch/lehrstuehle/ticc/JvL-130819-Bundestagswahl2013-OpenGovernment-V1.pdf
Das Deutsche Telekom Institute for Connected Cities (TICC) ist ein Institut der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Es ist im Fachbereich der managementorientierten Verwaltungs- und Politikwissenschaften (Department PMG) angesiedelt und beschäftigt sich mit Fragen der Verwaltungsinformatik und Verwaltungsmodernisierung in Lehre und Forschung. Ein Schwerpunkt der Institutsarbeit ist das offene Regierungs- und Verwaltungshandeln in seinen vielfältigen Varianten. Hierzu zählen offene Daten, ein transparentes Haushaltswesen und IT-gestützte Formen der Zusammenarbeit. Zusammen mit Partnern aus Forschung und Praxis entwickelt das TICC wegweisende Strategien, Modelle und Werkzeuge und begleitet deren Umsetzung. Die enge Verzahnung von Forschung und Lehre mit der Anwendung ist für das gestaltungsorientierte Institut ein wesentlicher Erfolgsfaktor.